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Warum küren die Demokraten in den USA Kamala Harris zur Vizepräsidentschaftskandidatin?

Faktencheck von Dr. Herbert Sirois

17.08.20 –

Warum küren die Demokraten in den USA Kamala Harris zur Vizepräsidentschaftskandidatin?

Kurzer Steckbrief: Kamala Devi Harris, geboren am 20. Oktober 1964, Juristin und Politikerin, 2011 bis 2017 Generalstaatsanwältin (Attorney General) in Kalifornien, seit 2017 vertritt sie ihren Bundesstaat im Senat. Sie ist in der Geschichte der USA erst die dritte Frau, die als Vizepräsidentschaftskandidatin einer „major party“ vorgeschlagen wird. Die erste war 1984 Geraldine Anne Ferraro, die zweite Sarah Palin 2008.

1a: Die Demokraten hatten sich unter Joe Biden bereits im Vorfeld der Entscheidung auf eine Frau für das Ticket der Vizepräsidentschaft festgelegt. Mit Kamala Harris setzen sie nun zusätzlich einen Kontrapunkt zur rassistischen Politik Trumps - angesichts der Zerrissenheit der USA eine kluge Strategie, die den Willen zu Integration und gesellschaftlicher Heilung signalisiert.

1b: Trump und seine Kampagne versuchen bereits, mit einer abstrusen "Birther"-Theorie“ Kamala Harris das Recht auf das Amt der Vizepräsidentin abzusprechen. Das ist rechtlich gesehen völliger Unsinn: Harris wurde 1964 im Bundesstaat Kalifornien als Tochter von Einwanderern aus Jamaika und Indien geboren. Die Senatorin, nach amerikanischem Recht eindeutig US-Bürgerin, darf Vizepräsidentin bzw. Präsidentin werden.

2a: Harris hat sich den Ruf einer eloquenten, hart arbeitenden und durchsetzungsstarken Politikerin erworben. Immerhin ist sie die einzige „woman of color“ im Senat. Ihre Qualitäten als disziplinierte, immer gut vorbereitete Politikerin, exzellente Rednerin und harte Wahlkämpferin stellen eine klare Bereicherung der bisher farblos wirkenden Biden-Kampagne dar. Sie war erfolgreiche Generalstaatsanwältin in ihrem Heimatstaat Kalifornien. Auch wenn die Parteilinke in Teilen irritiert reagiert, entkräftet sie damit das „LAW and ORDER-Postulat“ der Trump-Kampagne. Ein weiteres Plus für das Biden/Harris-Team.

2b: Trump hat offensichtlich kein Rezept gegen Harris und setzt von Anfang an auf Diffamierung. Für ihn ist sie “extraordinarily nasty" und “nasty to a level that was just a horrible thing, … I won’t forget that soon. …probably nastier even than Pocahontas” [Pocahontas ist seine Bezeichnung für Senatorin Elizabeth Warren (D-Mass.)]. Zusätzlich verbreitet er seit Neuestem eine absurde "Birther"-Theorie“.

3a: Harris spricht als erfolgreiche und selbstbewusste Frau die wichtige weibliche Wählergruppe in den USA an. Sie schwächt damit die immer wieder vorgebrachten Sexismus-Vorwürfe gegen Biden ab und setzt einen Kontrapunkt zum offen sexistischen Präsidenten. Die starken Frauen, die in der Suche nach einer geeigneten „running mate“ genannt wurden, stellen zudem bereits sichtbare Kandidatinnen für ein zukünftiges Kabinett Biden/Harris. Aus meiner Sicht würde z.B. Susan Rice – UN-Botschafterin und Nationale Sicherheitsberaterin Präsident Obamas – in einer Biden-Präsidentschaft mit großer Sicherheit Außenministerin.

3b: Trumps Sicht zu Frauen ist so unterirdisch, dass man sie nicht zu wiederholen braucht.

4a: Biden zeigt mit seiner Entscheidung für Harris, dass er persönliche Eitelkeit hinter den Dienst für das Land und politische Professionalität zurückstellt. Sie hat ihn in den TV-Debatten um die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten heftig attackiert und trotzdem ist sie nun seine Wahl. Amerikaner lieben eine solche Einstellung und Biden setzt damit einen erfrischenden Kontrapunkt zum selbstgefälligen amtierenden Präsidenten. Er signalisiert damit seinen Willen zur Rückkehr hin zu einer sachbezogenen und effektiven Arbeit in der Administration und allen voran im Weißen Haus. Dass es gelungen ist, den Auswahlprozess bis zur Entscheidung für Harris weitgehend geräuschlos zu absolvieren, war für viele Amerikaner bereits ein Zeichen von Professionalität - eine Tugend, die selbst Trump-Anhänger beim amtierenden Präsidenten vermissen.

4b: Trump hat mehr Spitzenpersonal in drei Jahren entlassen als die letzten drei Administrationen zusammen in 24 Jahren. Er toleriert offensichtlich weder Widerspruch noch Kompetenz an seiner Seite.

5a: Weitgehend ohne außenpolitisches Profil ist Harris vor allem eine Antwort auf innenpolitische Herausforderungen. Bisher hat sie sich aber zumindest als liberale Internationalistin gezeigt mit klarem Bekenntnis zum Multilateralismus. Zugleich sollte man aber nicht in denselben Reflex wie bei Obama verfallen, der bereits mit seiner Wahl zum Messias der internationalen Politik erhoben wurde, eine Rolle, die er dann nie erfüllen konnte. Harris ist, wie damals Obama, an erster Stelle amerikanischen Interessen verpflichtet. Eine völlige Kehrtwende in der Sicherheitspolitik ist auch unter Biden/Harris nicht zu erwarten. Hoffnungsvoll stimmt aber, dass Harris öffentlich die Militarisierung der US-Außenpolitik hinterfragt und heftige Kritik an Autokraten und Diktatoren, auch wenn diese mit den USA verbündet waren, äußert. Eine ernsthafte inhaltliche Veränderung in der China- oder Russlandpolitik steht aber nicht zu erwarten. Der Ton dürfte allerdings professioneller werden.

5b: Trump hat mit seiner America-First-Politik dem internationalen System schweren Schaden zugefügt. Seine instinktlose Nahostpolitik, die Kündigung wichtiger Abrüstungsabkommen und der Umgang mit Verbündeten haben „den Westen“ an den Rand des Scheiterns geführt.

Quintessenz:

Harris ist eine exzellente Wahl für das Ticket zur Präsidentschaft. Sie ergänzt den Wahlkampf der Demokratischen Partei passgenau und gleicht viele Defizite der Biden-Kampagne aus. Zudem sollte man folgenden Fakt im Auge behalten: Biden ist am 20. November 1942 geboren und wird somit kurz nach dem amerikanischen Wahltag (3. November) 78 Jahre alt. Sollte er gewählt werden, erwartet niemand wirklich, dass er mehr als eine Amtszeit dienen wird. Kamala Harris wird am Wahltag 56 Jahre alt sein, sie gleicht somit das hohe Alter Bidens auf dem Ticket aus und wird damit von Beginn an als potentielle Präsidentin gehandelt. Mit der Vizepräsidentschaft würde Kamala Harris zudem fast

automatisch die nächste demokratische Präsidentschaftsnominierung zufallen. Vielleicht bekommt Amerika 2024 seine erste Präsidentin.

 

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