Bündnis 90/Die Grünen

in Stadt und Landkreis Ansbach

Haushaltsrede 2016

05.05.16 –

 

 

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachdem ich mich fest entschlossen habe, zum 31.3.2016 mein Stadtratsmandat aus persönlichen Gründen an den berühmten Nagel zu hängen, will ich am Anfang meiner diesjährigen Haushaltsrede ganz kurz meine 26 jährige Stadtratstätigkeit Revue passieren lassen.
Keine Angst, ich fasse mich wirklich ganz kurz. Beginnen will ich mit drei bekannten Schlagertiteln, die richtungsweisend sind für mein zukünftiges Leben:

1. "70 Jahr, graues Haar" von Udo Jürgens.

2. "Mit 70 hat man noch Träume" von Peggy March, und

3. "Mit 70 fängt das Leben erst an" von Ivo Robic.

Ich bin zwar noch keine 70, aber ich gehe wild entschlossen darauf zu. Außerdem bin ich in einem Alter, in dem man Platz für die Jugend
machen sollte. Mein Nachfolger heißt Richard Illig und ist 4 Jahre jünger als ich. Also blutjung.
In den 26 Jahren meiner Stadtratstätigkeit, um einige Klischees zu bedienen, habe ich so ziemlich alles erlebt, was das Leben ausmacht. Höhen und Tiefen, Eintracht und Zwietracht, Miteinander und Gegeneinander, gute und schlechte Stimmung. Zur Zeit herrscht bei uns im Stadtrat eine Atmosphäre, die leider teilweise unerträglich ist. Dabei sind wir alle gewählt, um das Beste für unsere Stadt zu ermöglichen. Im Grunde wollen wir alle das Gleiche. Aber wie in der großen Politik spielen auch bei uns Machtansprüche eine viel zu große Rolle.
Wenn jede Fraktion schon jetzt darauf schaut, bei der nächsten Stadtratswahl möglichst gut abzuschneiden, bedeutet das, dass alle Fraktionen entweder nur ihr eigenes Süppchen kochen oder wie im Falle von CSU, SPD und FW eine große Koalition bilden, um wenigstens zur Oberüberfraktion zu werden und Frau Seidel zur Unteroberbürgermeisterin zu degradieren. Inzwischen gleichen wir einer Mannschaft, die unmittelbar vor dem Abstieg steht, weil ihr die mannschaftliche Geschlossenheit und die Teamfähigkeit fehlt. Entschuldigung, eigentlich wollte ich in meiner letzten Haushaltsrede nur positive Gedanken
verbreiten, was mir aber leider nicht immer gelingt.
26 Jahre Stadtrat bedeuten für mich viele zwischenmenschliche Beziehungen. Zwei davon möchte ich herausgreifen: Zum einen meine Beziehung zu Hans Zehnder von der CSU, der in der ersten Reihe ganz links außen seinen Platz hatte. Hans Zehnder war das Zünglein an der Waage bei der Abstimmung, in der es darum ging, ob sich der Verein Ansbacher Kammerspiele etablieren kann. Er war die entscheidende Stimme pro Kammerspiele. Und so oft ich auch mit ihm über die Kammerspiele diskutierte, erinnerte er mich daran, dass es ohne ihn die Kammerspiele überhaupt nicht gäbe. Und immer wenn ich mir eine Tasse Kaffee holte - die Kaffeemaschine stand ja direkt neben ihm - schaute er mich schelmisch an und sagte jedes Mal: "Du erzählst vielleicht wieder einen Schmarrn!" Ein Erlebnis, das mir unvergessen bleibt, möchte ich auch noch ansprechen: Bei einem Stadtratsausflug - es gab tatsächlich Zeiten, in denen es Stadtratsausflüge gab - hatte sich unsere Elvira Frauenschläger das Bein gebrochen. Wir waren alle in beschwingter Stimmung und Wolfgang Wechsler und ich boten uns an, Elvira zum wartenden Bus zu schleppen. Dazu wendeten wir gekonnt den typischen ErsteHilfeGriff an: Wir fassten uns überkreuz bei den Händen und legten sie unter den Allerwertesten von Elvira, um sie problemlos transportieren zu können. Elvira jedoch missverstand unsere ritterliche Absicht, boxte uns unter Schmerzen auf die Oberarme und sagte ganz jämmerlich: "Tut ihr eure Hände weg, ihr Ferkel!" Das beweist, dass Elvira selbst in extremen Situationen nicht ihren Humor verliert.
Solche zwischenmenschlichen Beziehungen, die ich in anderer Form mit vielen von Euch hatte, machten für mich die Stadtratsarbeit trotz der vielen Abstimmungsniederlagen, die mich 26 Jahre begleiteten, einfach liebenswert. Oder auch die Anteilnahme, die ich erfuhr, als in der vorletzten Stadtratssitzung Stadträte aller Fraktionen auf mich zukamen, und meinen Abschied bedauerten. Selbst unser Kämmerer hat mir sein Bedauern ausgedrückt, obwohl er mir zu verstehen gab, dass ich von Finanzen ungefähr so viel Ahnung habe wie er
vom Stricken. Worauf ich ihm entgegnete, dass im Stadtrat ja leider nie über die Viererkette diskutiert wird. Kommen wir zur jetzigen Situation: Warum herrscht bei uns im Stadtrat eine so schlechte Stimmung? Liegt es nur an unserer OB, die inzwischen meint, jeden, aber auch jeden Redebeitrag in ihrem Sinn kommentieren zu müssen? Oder liegt es auch an uns Stadträten, weil wir Tugenden wie Toleranz, Respekt und gegenseitige Achtung immer mehr vermissen lassen? Schon oft haben wir erlebt, dass sich die unterschiedlichsten Fraktionen überraschend zusammentun, um schnell ein Anliegen durchzusetzen und um kurz danach sofort wieder weit auseinander zu driften - zuletzt waren es z.B. die CSU und die BAP. Nun hat sich eine große Koalition zusammengefunden, die offenkundig aus zwei Gründen zusammengeschweißt wird: Erstens, um die jeweiligen Lieblingsinteressen durchzusetzen: z. B. kommt der rote Sprungturm kommt auch der schwarze Rezatparkplatz. Oder umgekehrt. Zweitens, um der OB und ihren Unterstützern zu zeigen, wo der Bartl den Most holt. Aber eine Große Koalition bewegt nicht unbedingt Großes: Sie beschloss eine extreme Neuverschuldung, einen betonierten Rezatparkplatz und 200.000 Euro, die für Sonstwas reserviert werden. Wo ist die gemeinsame Vision, wo sind die Maßnahmen, die unsere Stadt wirklich weiterbringen? Andere Städte machen beispielsweise aus Flusstälern Schmuckstücke
der Stadtlandschaft. Wir jedoch bevorzugen einen Parkplatz, den wir auch noch frisch planieren und betonieren. Anstatt hier wirklich mutig zu denken und ein Parkhaus etwa im westlichen Bereich des heutigen Rezatparkplatzes zu fordern, um dafür das freiwerdende Rezattal sinnvoller und lebensnäher zu nutzen. Vielleicht sollten wir in Zukunft gemeinsam den Haushalt denken?
Kommen wir zum Haushalt 2016:
Unsere Anträge, die in die Zukunft weisen sollten, haben obwohl es für die meisten sehr hohe Zuschüsse gegeben hätte, keine Mehrheit gefunden. Das Thema Stadtentwicklung war uns auch heuer wieder bedeutsam, und das Angebot, das Staatsminister Huber der Stadt Ansbach machte, kam uns gelegen, um zu dieser Thematik einen Antrag zu stellen. Aus den Fördertöpfen "Konversion" hätten Mittel bereitgestanden, um schon heute neue planerische
Strategien für unsere Stadt anzudenken. Doch selbst die Förderfähigkeit dieses Konzepts konnte keine Mehrheiten finden. Schon fast peinlich ist die mehrheitliche Ablehnung unseres Alphabetisierungsantrags (es ging um das Programm "Alpha+"), der eine Förderquote von 80% mit sich gebracht hätte.
Wie man gegen die Alphabetisierung von Bürgerinnen und Bürgern (und nicht nur Flüchtlingen) stimmen kann, um ihnen die Teilhabe an unserem Gesellschaftsleben zu erleichtern, ist uns schleierhaft. Wir können uns nicht vorstellen, dass es Argumente für eine Ausgrenzung dieser Minderheiten geben kann. Immerhin, zum Naturschutz lässt sich sagen: Ein Anfang ist gemacht, nun heißt es: Umsetzen! Mit der Biotopkartierung und der Gewässerentwicklung liegen wichtige Konzepte vor. Wenn die Vorgaben ernst genommen werden sollen, dann müssen wir für deren Realisierung sorgen. Die vorhandenen Restmittel langen bei weitem nicht aus, wenn zum Beispiel Uferrandstreifen angekauft oder vermehrte Landschaftspflegemaßnahmen durchgeführt werden müssen. Doch auch diese Anträge wurden alle abgelehnt. Die Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets Dombachtal finden wir großartig und wir werden uns dafür einsetzen, dass noch weitere Landschaftsschutzgebiete entstehen.
Es ist müßig, die gesamten Hintergründe zum ÖPNVDebakel wiederzugeben, die Gegenstand mehrerer Stadtrats und Aufsichtsratssitzungen waren. Vielleicht wäre uns einiges erspart geblieben, wenn unser Antrag für ein umfassendes Mobilitätskonzept, das interne und externe Fachleute und alle Fraktionen an einen Tisch bringen sollte, angenommen worden wäre. Ausgangspunkt war eine ganzheitliche Sicht auf die Verkehrsproblematik unserer Stadt - mit dem Schwerpunkt Busverkehr. Dieser Antrag ist
leider mehrheitlich, von Euch liebe Kolleginnen und Kollegen abgelehnt worden. Wir könnten
diesen Antrag erneut stellen, denn ein ganzheitliches und allgemein akzeptiertes
Verkehrskonzept und darin integriertes Buskonzept haben wir immer noch nicht - nur die Perspektive auf weitere Konflikte. Kommen wir zum Klinikum: Ein typisches Beispiel für die Ansbacher Politikkultur ist die Außendarstellung: Aus Dinkelsbühl kommt die positive Nachricht, dass eine neue TCM Klinik
entsteht, in Ansbach wird unendlich lange Zeit über die Schließung eines Bewegungsbades gestritten, mit allen möglichen und unmöglichen Bandagen. Damit überdecken wir die Fortschritte, die mit großen Anstrengungen und mit viel Geld im Klinikum gemacht werden. (Z.B. eine große HNOAbteilung, die ab 1.1.2016 mit 24Stunden Bereitschaft in Betrieb genommen wird.) Tatsächlich werden mit dem Wirtschaftsplan 2016 weitere Schritte in der Umsetzung des Zukunftskonzepts der ANregiomed realisiert. Im Bereich der Wachstumsstrategie werden durch die Etablierung neuer Leistungsbereiche, insbesondere am Standort Ansbach, deutliche Leistungszuwächse eingeplant, welche im Wesentlichen zur Steigerung der Personal, Sach und Investitionskosten beitragen. Die ausgesprochen schwierige Gesamtsituation im Gesundheitswesen bleibt nach wie vor bestehen. Dennoch wird für das Jahr 2016 aufgrund der oben beschriebenen Entwicklungen ein positives Betriebsergebnis (EBITDA) geplant. Noch ein Pflegefall: das RettiPalais. Wir müssen jetzt die Verantwortung für dieses Prachtstück übernehmen! Hören wir auf uns in die Tasche zu lügen: Es kommt kein Scheich und kauft uns das Problem der Sanierung ab. Es kommt kein Freistaat und besinnt sich auf
die tolle Idee einer Staatlichen Bibliothek! Hören wir auf, im RettiPalais ein Problem zu sehen. Begreifen wir es endlich als Chance für Ansbach, sehen es als möglichen Tourismusmagneten und stoppen den weiteren Verfall! In Dinkelsbühl haben wir vier Gebäude aufgesucht, die aufgrund großer Eigeninitiative teils mit bis zu 80% Förderung oder über private Fremdmittel restauriert wurden. Das Haus der Geschichte, das Theater am Spitalhof, die Freilichtbühne am Wehrgang und die Stadtmühle, in der heute das weltweit einzigartige Museum der 3. Dimension untergebracht ist. Die Situation der Stadtmühle im ursprünglichem Zustand kommt uns irgendwie bekannt vor und
ist vergleichbar mit dem RettiPalais: völlig marode, keinerlei Geld im Stadtrat für die Sanierung und keine Nutzungsidee. Ein gutes Beispiel dafür, dass man auch bei uns mit kreativen Ideen, Tatkraft und Beharrlichkeit viel zum Wohle der Stadt erreichen könnte. Wir freuen uns über die Einigkeit im Stadtrat im Hinblick auf die Weiterverpflichtung einer Schwimmlehrerin für die Grundschulen. Dabei ist es müßig festzustellen, ob es eine staatliche oder kommunale Aufgabe ist. Wichtig ist vor allem, dass wir unseren Grundschulkindern einen die Grundlagen vermittelnden Schwimmunterricht ermöglichen. An dieser Stelle möchten wir der Stadtverwaltung ein großes Lob für den Umgang mit der Flüchtlingssituation aussprechen. Wir Grüne haben uns über die Einrichtung einer städtischen Koordinierungsstelle "Flüchtlinge" sehr gefreut und dies auch von Anfang an
unterstützt. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen in Ansbach bereit sind, sich für die Unterstützung der Flüchtlinge einzubringen. Dieses Thema wird uns noch die kommenden Jahre beschäftigen und fordert auch von uns Kommunalpolitikern ein maß und wohlwollendes - sprich humanes Handeln ohne parteiideologische Propaganda. In diesem Geiste haben wir - in aller Offenheit - vor ein paar Wochen ein weiteres Thema aufgebracht, um unsere Stadt mittel und langfristig neu auszurichten: Eine Landesgartenschau für Ansbach! Sie hat für unsere Stadt eine überregionale Strahlkraft, beflügelt die Stadtentwicklung, die uns alle so am Herzen liegt, den Tourismus und das Investitionsklima. Wir sind davon überzeugt, dass hierin auch die Chance für ein neues Miteinander liegt, denn ein so großes und nachhaltig wirksames Projekt kann nur vorangetrieben werden, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Insofern erneuern wir nochmals die Einladung an alle Fraktionen
und Interessierten über dieses Vorhaben weiter nachzudenken und die nächste Veranstaltung im März zu diesem Thema konstruktiv zu begleiten.
Schluss Wie vor jeder Haushaltsverabschiedung hatte ich wieder mal einen verrückten Traum. Ich träumte, die Stände in der neueröffneten Markthalle auf dem MontegelasPlatz wurden von den Stadtratsfraktionen selbst betrieben. Wir von den Grünen waren für Ansbacher Allerlei, Kohlköpfe und Krautsalat zuständig, die CSU, die SPD und die Freien Wähler betrieben eine Suppenküche, wo sie in aller Ruhe ihr Süppchen kochen konnten und zusätzlich die Metzgerei, weil ihnen sowieso Wurst war, welche Anträge andere Fraktionen in den Haushalt einbrachten und vor allem auch deshalb, weil sie mit unserer OB ein Hühnchen rupfen wollten. Außerdem kochten sie einen Eintopf aus 3 Rezepten und wunderten sich, dass er niemandem schmeckte. Die BAP unterhielt einen Carda SeidelFanshop in starker Konkurrenz zur ÖDP. Bei der BAP gab es die CardaSeidelhatimmerRechtKuckucksuhr und bei der ÖDP die von Friedmann Seiler verfasste Biografie: "Carda Seidel: jetzt red i"! Die
offenen Linken versuchten alles, damit die Markthalle nicht privat betrieben wird, sondern in öffentlicher Hand bleibt. Um die Kommunikation zwischen Stadt und Landkreis und Stadt und Stadtwerken entscheidend zu verbessern, habe ich Ihnen sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin in meinen letzten Haushaltsreden empfohlen, mit Landrat Dr. Ludwig oder mit Roland Moritzer
mal einen guten Wein oder ein paar Halbe Bier zu trinken. Aber leider haben Sie diesen gut gemeinten Rat nie angenommen, obwohl ich aus Erfahrung weiß, dass Sie diese beiden Herren mühelos unter den Tisch trinken könnten.
Abschließend bedanke ich mich bei Ihnen Frau Oberbürgermeisterin, bei der gesamten Verwaltung, bei Euch allen und bei der Presse für die jahrelange, gute Zusammenarbeit. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
Dem Haushaltsentwurf, der eine maßgebliche Neuverschuldung ohne zukunftsweisende Investitionen vorsieht, können wir - aus dargelegten Gründen - nicht zustimmen.

Wolfgang Bartusch

 

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