Bündnis 90/Die Grünen

in Stadt und Landkreis Ansbach

Gutes Klima - ein bisschen Psychologie

Klimatipp der Woche

04.10.21 –

Ortsverband Ansbach - Der menschengemachte Klimawandel wird immer stärker spürbar. Die Fakten sind sonnenklar, doch auf die eine oder andere Art verschließen wir alle die Augen davor – und der Eine oder die Andere auf alle Arten. Warum gelingt es nur langsam, dringend notwendige Maßnahmen einzuleiten und zu handeln? Wie funktioniert diese Abwehr? Mit welchen Mechanismen? Und warum halten die sich so hartnäckig?

Fehlende Wahrnehmung der Klimakrise

Der folgende Text beruht v. a. auf Beiträgenim Buch „Climate Action – Psychologie der Klima­krise“, Psychosozial-Verlag 2021. Verschiedene Autor:innen beleuchten darin aus psychologischer und interdisziplinärer Sicht die Hindernisse, die einer angemessenen Auseinandersetzung mit der Krise im Wege stehen. Sie bieten Inspirationen, stellen Grundideen für ein konstruktives und kollektives Handeln dar und zeigen, dass jede:r wirksam werden und dabei und damit seelisch gesund bleiben kann.

Ein Wissen um den Klimawandel existiert seit langer Zeit: Bereits im 19. Jahrhundert wurde der Treibhauseffekt beschrieben. Die systematische Erforschung und Hypothesenbildung geriet jedoch erst ins öffentliche Bewusstsein durch die Publikationen des Club of Rome 1972 und 1974 und die nachfolgenden Institutionen, die die menschengemachte Erderwärmung untersuchten bzw. Studien sammelten und analysierten (z. B. der Weltklimarat IPCC). Auch dass sich der Klimawandel schneller vollzieht als angenommen und viele Vorhersagen des Weltklimarates überholt, kommt allmählich in das öffentliche Bewusstsein.
Warum gibt es dennoch auf politischer wie auf individueller Seite so wenig angemessene Reaktion auf die bekannten Fakten?

Die Wirkungsweise des Seelischen

Eines Tages saß George Marshall in einer Kleinstadt in Texas im Büro der Chefredakteurin der dortigen Lokalzeitung. In der Nähe des Städtchens hatte kurz zuvor das stärkste Buschfeuer der texanischen Geschichte gewütet, es hatte ein Drittel des Ortes Bastrop zerstört, darunter das Wohnhaus der Chefredakteurin. Der Brandkatastrophe vorausgegangen waren das trockenste Jahr in Texas seit 1895 und eine noch nie dagewesene Hitzewelle. In dieser Situation also saß George Marshall, Chef der britischen Organisation Climate Outreach, der Chefredakteurin des Bastrop Advertisers gegenüber. „Warum“, fragte Marshall, „hat Ihre Zeitung eigentlich noch nie etwas über den Klimawandel geschrieben?“ – „Oh“, lautete die Antwort der Frau, „wir würden das natürlich tun – wenn uns das hier in Bastrop betreffen würde.“

Das Seelische ist enorm anpassungsfähig. Es ermöglicht uns das Überleben auch in traumatischen Situationen. Es sucht Schmerz zu vermeiden, und es will uns schützen. Dabei geht es gefährliche Manöver ein: Es spaltet, es verbiegt sich, es wirft Unliebsames, Unangenehmes oder Irritierendes aus sich heraus, ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist auch ständig im Kampf begriffen: gegen die eigenen Wünsche, die Angst machen könnten; gegen die Realität, die übermächtig, enttäuschend und versagend, schmerzhaft ist; gegen die eigenen Schuldgefühle, die einschränkend, peinigend und qualvoll sein können. Kurz: Unser Seelenleben ist komplex, ambivalent, in weiten Teilen unbewusst und nicht-rational.

Abwehrmechanismen

Stell Dir mal vor, Du paddelst gerne wilde Flüsse entlang und hast noch nie etwas von Wasserfällen gehört. Aktuell bist Du auf einem besonders wilden Fluss unterwegs. Wenn Du vorab die Wasserwanderkarte für diesen Fluss studiert hättest, wäre Dir aufgefallen, dass er nach turbulenten Stromschnellen schließlich als ein mächtiger Wasserfall in die Tiefe braust. Das hast Du aber nicht. Du verlässt Dich darauf, dass dieser Fluss genauso befahrbar bleibt wie bisher und wie alle Flüsse, die Du bislang schon befahren hast. Du schaust bis zur nächsten Kurve, und das reicht Dir. Schließlich hast Du jahrelange Erfahrung. Lasst uns dieses Szenario 1 als »Ahnungslosigkeit« bezeichnen.

Ein anderes Szenario: Du paddelst auch leidenschaftlich gern auf Flüssen herum und Du hast schon mal davon gehört, dass es Wasserfälle geben soll. Du hast zwar auf Deinen vielen Flussfahrten noch keinen gesehen, doch kannst Du Dir schon vorstellen, dass Wasser auch mal rasant bergab fließen kann. Allerdings kannst Du Dir nicht vorstellen, ist, dass Dir irgendwann einmal so ein Wasserfall begegnen wird. Du bist schließlich schon länger auf Flüssen unterwegs und da gab es nie mehr als ein paar leicht zu überwindende Stromschnellen. Es gibt also nichts zu befürchten. Nennen wir dieses Szenario 2 »Bagatellisierung«.

Nächstes Szenario: Du paddelst und paddelst für Dein Leben gerne. Du hast auch schon mal etwas von Wasserfällen gehört und sogar schon ein Bild von einem Wasserfall gesehen und eine Dokumentation über Wasserfälle angeschaut. Und dann bist Du auf dem wilden Fluss unterwegs und denkst Dir: »Ja, wenn da jetzt ein Wasserfall käme, dann wäre das nicht so toll, aber wird schon nicht passieren, ist ja bislang auch immer gut gegangen. Und zur Not kann ich ja bis zur nächsten Kurve sehen und werde schon rechtzeitig umkehren oder mich ans Ufer retten können.« Und so paddelst Du gemütlich weiter. Gäbe es einen besseren Titel für dieses Szenario 3 als »Leichtsinn«?

Erneuter Perspektivwechsel: Szenario 4. Du paddelst zwar sehr gerne, hast aber gehört, dass es auf dem Fluss sehr turbulent werden kann. Deshalb bist Du diesmal mit dem Auto unterwegs zu einem Aussichtspunkt, der einen guten Überblick über die weltberühmten Stromschnellen bietet, die auf einen spektakulären Wasserfall hinauslaufen. Du hast ein Fernglas dabei und schaust Dir neugierig jedes Detail an: die Kraft des Flusses, das Brechen des Wassers an den Klippen. Du nimmst das alles zur Kenntnis und denkst Dir: »Ach, wie interessant. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Hoffentlich ist flussaufwärts niemand mit einem Boot unterwegs.« Nach einer Weile steigst Du in Dein Auto und fährst nach Hause, wo viel Arbeit auf Dich wartet. Der Wasserfall ist schnell wieder vergessen. Vielleicht können wir dieses Szenario als »Verdrängung« bezeichnen.

Stell Dir jetzt einmal vor, dass Du bei dem vorherigen Szenario in dem Moment, wo Du darüber philosophiert hast, wie es wohl wäre, wenn da flussaufwärts ein Boot unterwegs wäre, ein solches Boot auf dem Fluss bemerkst. Du beobachtest – fasziniert, entsetzt, ängstlich oder distanziert -, wie das Boot in den Sog des Wasserfalls gerät. Vielleicht zerschellt es schon am ersten Felsen, vielleicht schaffen es das Fahrzeug und die Menschen darauf auch noch etwas weiter. Du kannst Dir aber in jedem Fall denken, was unweigerlich passieren wird: Das Boot wird irgendwann untergehen. Du steigst in Dein Auto und fährst nach Hause, wo schließlich viel Arbeit auf Dich wartet. Das Schicksal des Bootes und der Menschen in diesem Szenario 5 tangiert Dich ja nicht: weit weg, unbekannte Personen. Du hast genug eigene Sorgen. Lasst uns das als »Ignoranz« bezeichnen.

Letztes Szenario: Du bist wieder auf dem Fluss unterwegs, gemeinsam mit Deiner üblichen Wasserwandergruppe. Du hast ein Weilchen geschlafen und Dich treiben lassen. Vielleicht auch in der Gewissheit, dass Deine Begleitpersonen schon aufpassen und die Fahrt bei Gefahr rechtzeitig stoppen. Doch da hast Du Dich geirrt. Du wachst auf, weil Dein Boot ziemlich stark schaukelt, irgendetwas hat den Rumpf gestreift. Du wirst unruhig. In der Ferne hörst Du ein dumpfes Brausen. Du schaust nach vorne und siehst kleine Felsen aus dem Wasser ragen. Gischt spritzt in Dein Boot und so langsam wird Dir bewusst: Da kommt etwas Gewaltiges auf mich zu, auf das ich nicht vorbereitet bin. Schnell weicht die Sorge einem Gefühl der Bedrohung. Du erinnerst Dich an die Dokumentation über Wasserfälle in jenem Moment, als jemand etwas von wegen »Wasserfall, auf der Wasserwanderkarte sah das gar nicht so schlimm aus« ruft. Du fängst nun heftig an zu paddeln, doch der Strom zieht Dich unbarmherzig voran. Alle paddeln in ihren kleinen Booten wild durcheinander. Stoßen sich gegenseitig an, behindern sich. Den Zeitpunkt, an dem Du es mit eigener Kraft zurück oder wenigstens ans Ufer geschafft hätten, hast Du leider verpennt. Furcht macht sich breit angesichts der Dir und Deiner Wasserwandergruppe drohenden Gefahr, die nun real vor Euch liegt: Das Brausen wird immer stärker, der Strom immer schneller und schließlich seht Ihr das Ende des Flusses. Es fühlt sich an wie das Ende der Welt. Dieses Szenario 6 heißt »Angst«.

Du ahnst es sicher schon längst: Der Fluss ist unser Leben im Zeitalter der menschengemachten Erderhitzung. Die Stromschnellen stellen die Klimakrise dar, die – ohne angemessene Gegenreak­tion – schließlich in einer Katastrophe münden. Hätten wir nicht geschlafen, ignoriert, verdrängt oder bagatellisiert, hätten wir diese Lage verhindern können. Würde die gesamte Menschheit angesichts der vor uns liegenden Bedrohung gemeinsam handeln, könnten wir die schlimmsten Ausmaße abwenden und zumindest das rettende Ufer erreichen. Hätten wir seriöse Fakten frühzeitig zu Rate gezogen, verstanden und ernst genommen, wäre die Krise sogar weitgehend abwendbar gewesen. Massive Eingriffe in unsere Umwelt über viele Jahrzehnte und mehrere Generationen hinweg fallen uns nun gewaltig auf die Füße. Das ist die nüchterne Realität.

Fazit

Alle einsichtsfähigen und handlungsbereiten Menschen sind jetzt gefragt, ihren Teil beizutragen und die psychische Verarbeitung der Klimakrise in ihrem Umfeld voranzubringen. Damit weitere Teile der Gesellschaft aufhören Argumenten und Ausreden zu folgen, die Untätigkeit bewirken, und ein zielgerichtetes kollektives Handeln möglich wird. Weil wir als Menschen innere Spannungszustände nur schwer aushalten können und sie deshalb positiv auflösen möchten, wollen wir den Blick auf Handlungsmöglichkeiten richten, die schon bestehen. Und zwar auf solche, die uns als Einzelne nicht überfordern. Deshalb findest Du auf dieser Website jede Woche neue Klimatipps zum Informieren, Nachdenken und möglichst Integrieren in die eigenen Lebensmuster – jedes Zehntelgrad weniger Erderwärmung zählt!

 

Quellen zum Nach- und Weiterlesen:

https://www.klimafakten.de/meldung/wie-wir-uns-dagegen-wehren-die-klimakrise-wahrzunehmen-und-wie-der-zeitgeist-uns-dabei-hilft

https://www.klimafakten.de/meldung/climate-outreach-das-schweigen-rund-ums-klima-durchbrechen

„Climate Action – Psychologie der Klimakrise“, Psychosozial-Verlag 2021.

 

Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ (Erich Kästner)

Daher veröffentlichen wir jetzt jede Woche neue Tipps, wie wir zum Klima- und Naturschutz beitragen können, um jeden Tag ein bisschen die Welt zu retten.

 

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