Bündnis 90/Die Grünen

in Stadt und Landkreis Ansbach

Redebeitrag von Richard Illig PAG-Demo

26.05.18 –

Begrüßung an die Polizei. Hiermit möchte ich die anwesenden Mitglieder der Polizei begrüßen und klarstellen: Dies ist keine Demonstration oder Kundgebung gegen Euch! Wir wissen, dass ihr einen harten Job habt, der in den letzten Jahren nicht einfacher, aber immer wichtiger geworden ist.
Aber was mit dem neuen PAG geplant ist, macht ja euren Job nicht einfacher oder effektiver. Es ist das falsche Mittel, um mit steigenden Problemen klarzukommen.Das PAG ist ungefähr so, als wenn man aus der Tatsache, dass die Situation an den Schulen immer schwieriger wird, nicht die Konsequenz zieht, mehr Lehrer einzustellen, sondern wieder beschließt, dass die Lehrer die Prügelstrafe wieder anwenden sollen.

Warum sind wir gegen die 2. Novellierung des PAGs? 

Mit dem Gesetz wurde das Polizeiaufgabengesetz (PAG), das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) und das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) geändert. Anders als oft beschrieben, wurde kein eigenes „Gefährdergesetz“ geschaffen, sondern die allgemeinen, für alle Bürger/innen geltenden Rechtsvorschriften durch die Neuregelung verschärft. Das Gesetz beschränkt die neuen Eingriffsbefugnisse nicht auf die Abwehr terroristischer Bedrohungen, sondern erfasst mit großer Streubreite gleichsam die gesamte Bevölkerung. Mit dem Begriff der „drohenden Gefahr“ kann die Polizei leichter in die Privatsphäre eindringen und es kommt zu einer Vernachrichtendienstlichung der Polizei. Das widerspricht dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten und ist damit verfassungswidrig. 

Mit diesem Gesetz werden folgende gravierende Änderungen in die Bayerische Sicherheitsarchitektur eingeführt: 

1.) Begriff der „drohenden Gefahr“: 
Der Begriff ist unscharf und schwammig. Er führt dazu, dass sich Polizei und Nachrichtendienste in ihrer Arbeit immer ähnlicher werden. Bislang war die „konkrete Gefahr“ die Voraussetzung dafür, dass die Polizei aktiv wird. Gibt es keine konkrete Gefahr, dürfen höchstens die Nachrichtendienste ermitteln. Durch die vorliegende Novellierung und die Einführung einer sogenannten „drohenden Gefahr“ kann nun die Polizei auch ohne konkreten Verdacht aktiv werden und z.B. Telefone und den E-Mail-Verkehr überwachen oder Online-Durchsuchungen machen. Nur die Wohnraumüberwachung und die Rasterfahndung sind bei der „drohenden Gefahr“ nicht erlaubt. 

2.) Präventive DNA-Analyse und DNA-Analyse zur Feststellung von Geschlecht, Augen-, Haar- und Hautfarbe, des biologischen Alters und der biogeografischen Herkunft des Spurenverursachers All das begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dieser Eingriff in das Grundrecht 
auf informationelle Selbstbestimmung und in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit ist nicht hinnehmbar. Außerdem ist die Methode zur Feststellung von Geschlecht, Augenfarbe etc. sehr fehleranfällig. 

3.) Elektronische Fußfessel im Bereich der präventiven Polizeiarbeit. Der neu geschaffene Art. 32a Abs. 1 S. 1 PAG sieht die Einführung einer elektronischen Fußfessel zur Gefahrenabwehr vor und dient hier vorwiegend der Abschreckung. Diese elektronische Fußfessel ist zur Erreichung der von der CSU-Regierung genannten Ziele aber größtenteils ungeeignet, da ein zu allem entschlossener Täter sich durch diese Aufenthaltsüberwachung 
nicht abschrecken lassen wird. Insbesondere bei Selbstmordattentaten entfaltet sie keinerlei Wirkung. 
-> Es handelt sich hier um ein bloßes Sicherheitsplacebo. 

4.) Automatisierte Gesichtserkennung per Video , also „intelligente“ Videoüberwachung 
Das ist ein erheblicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der bayerischen Bürger*innen durch fortlaufende Analyse personenbezogener Daten und umfassende Erfassung von Bewegungsabläufen. Die verfassungsrechtliche Problematik, dass gesellschaftliche Gruppen 
hier vorsortiert werden und das persönliche Verhalten im öffentlichen Raum in „normal“ und „nicht normal“ einsortiert wird, wird vollkommen ausgeblendet. Der Nutzen von automatisierter Gesichtserkennung ist zudem sehr zweifelhaft, die Tests zeigen ernüchternde Ergebnisse. 

5.) Einführung der Möglichkeit einer „Unendlichkeitshaft“. Bislang war der polizeiliche Gewahrsam auf eine Dauer von maximal zwei Wochen begrenzt. 
Bereits diese Zeitspanne war sehr weitreichend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dem Betroffenen keine Straftat vorgeworfen wird (wie z.B. bei der Untersuchungshaft) oder gar ein Strafurteil gegen ihn ergangen ist. Die Neuregelung des Art. 20 S. 1 Nr. 3 PAG sieht nunmehr eine maximale Dauer 
von drei Monaten für die erste Anordnung vor, diese kann um jeweils wiederum bis zu drei Monaten verlängert werden. Die Präventivhaft hat keine absolute zeitliche Obergrenze, kann also unendlich verlängert werden. -> ein Gesetz, das eine Art Guantanamo in Bayern ermöglicht, darf es nicht geben. 


Geschichte und Kontext: Um die Entsteheung des PAG zu verstehen, muss man kurz auf die Geschichte und den Kontext 
der Polizeidiskussion eingehen.
 
Dieses Gesetz, noch vom damaligen CSU-Chef und Ministerpräsidenten Horst Seehofer geplant, ist eindeutig entstanden in einer Phase, in der durch die Attentate in München, Ansbach und anderswo in der Bevölkerung eine Stimmung herrschte, die von Unsicherheit geprägt war. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dieses Gefühl der Unsicherheit die Bereitschaft vieler Bürger gesteigert hat, den Rattenfängern der AfD auf den Leim zu gehen, deren Analyse eindeutig ist: Der Staat hat komplett die Kontrolle über die Sicherheit verloren, heißt es da, und ein Bestseller der
entsprechenden Literatur hat den Titel “Kontrollverlust”. Die dort getroffenen Analysen und  Befunde sind ja empirisch nicht völlig falsch, die Frage ist nur, ob erstens die dort verorteten Ursachen zutreffend sind, und zweitens, ob die dort vorgeschlagenen Konsequenzen richtig sind.
 
Jedenfalls konnte man in dieser Situation nicht so tun, als ob die ganze Aufregung unbegründet wäre, und alle in der politischen Vetrantwortung stehenden waren gezwungen, darauf zu reagieren. Auch die Grünen haben darauf reagiert, und es war nicht leicht, in dieser Situation sozusagen 
sein Weltbild ziemlich drastisch zu ändern.
 
Wir müssen uns daran erinnern, dass die Entstehung der Grünen in den 70er und 80er Jahren verbunden war mit dem Aufbegehren gegen einen Staat, der seine Interessen, beispielsweise den Bau von Atomkraftwerken massiv gegen eine zunehmend kritischer gewordene Öffentlichkeit , also gegen immer stärker werdende Bürgerinitiativen durchsetzen wollte. Das hatte mit einer massiven Aufrüstung der Polizei zu tun, also war in den Augen vieler 
Grünen und Bürgerinitiativen-Mitglieder die Polizei eindeutig auf der Seite der Gegner angesiedelt. Und wenn man noch weiter zurückgeht, in die 60er jahre als das Jahrzehnt, in dem der Grundstein gelegt wurde für die ganze außerparlamentarische und dann parlamentarische Opposition in 
Deutschland und anderswo, dann muss man festhalten, dass da Utopievorstellungen bestanden von einer Gesellschaft ohne Polizei. Im Song “Sympathy for the devil” der Rolling Stones aus dem Jahr 1968 hieß es “every cop is a criminal” – und das kann man getrost als Ausdruck des Geistes einer ganzen Epoche bezeichnen.
 
Aber dann kam eine harte Landung:
-Im Januar 2015 der Anschlag auf Charlie Hebdo mitten in Paris mit 11 Toten. 
-Im Herbst 2015 die Grenzöffnung für Flüchtlinge durch Angela Merkel, die das 

Land in eine beispiellose Zerrissenheit führte. 
-Die Attentate in Paris im November 2015 mit 130 Toten.
-Die Silvesternacht 2015/16 in Köln, in der der Staat in den Augen vieler die Kontrolle 
komplett verloren hat.
-Am 18. Juli 2016 der Angriff eines minderjährigen und unbegleiteten Flüchtlings in einer
Regionalbahn bei Würzburg
-Bei einem Anschlag in München 2016 tötete der 18-jährige Schüler David S. am 22. Juli 2016 am
und im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) im Stadtbezirk Moosach mit neun Toten
-Sprengstoffanschlag in Ansbach am 24. Juli 2016
-Am Abend des 19. Dezember 2016 steuerte ein Attentäter einen Sattelzug in eine Menschenmenge 
auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Dabei starben 12 Menschen und 56 wurden verletzt.
 
und viele andere. 
 
Von daher ist es nicht verwunderlich, sondern sehr gut nachvollziebar, dass spätestens seit Anfang 2017 auch die Grünen andere Töne als bisher angeschlagen haben. So hat die damalige Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt Anfang 2017 auf dem Polizeikongress der Grünen gesagt: „Wir müssen das Gefühl der Unsicherheit ernst nehmen. Auch unsere Wähler wollen in Sicherheit leben“. Der Anschlag auf den Breitscheidplatz habe auch die Grünen noch einmal „darauf gestoßen, dass wir die Sicherheitsfragen auch in den Mittelpunkt unserer Debatten stellen sollten“. Lange standen Grüne und Polizei auf unterschiedlichen Seiten der Barrikaden. Für viele Grüne waren „die Bullen“ diejenigen, die gewaltsam gegen Anti-Atomkraft-Proteste vorgingen. Doch die Zeiten solch klarer Feindbilder sind längst vorbei. Aber, so betont wieder die zitierte Göring-Eckardt, es bleibt ein deutlicher Unterschied zu CDU, CSU und Teilen der SPD: „Wir Grünen sind und bleiben die Bürgerrechtspartei“. Es geht darum,„faktenbasiert“ mehr Sicherheit zu schaffen. Eine „flächendeckende Überwachung“ bietet eben nicht den gewünschten Schutz im öffentlichen Raum.

4. Stattdessen:
Fakt ist, dass etwas geschehen muss. Nicht nur, um zu verhindern, dass noch mehr Leute der AfD zulaufen, weil sie das Gefühl haben, es passiert nichts und der Staat hat die Kontrolle verloren. Das Organ, mit dem der Staat neben dem Justizapparat die Kontrolle im Land sicherstellt, ist die Polizei. Die Polizei ist aber komplett überfordert. Überstunden, Polizisten mit massiven Burmout-Problemen, vorzeitige Ruhestand, Krankheiten, Ausfall, permanenter Stress. Deshalb haben sich die Grünen immer wieder für die personelle Verstärkung der Polizei eingesetzt. Aber klar ist, dass das nicht von heute auf morgen geht. Aber kein PAG.
 
Was wollen die Grünen? 
- Keine Vernachrichtendienstlichung der Polizei . 
- Die Bayerischen Sicherheitsbehörden müssen personell und ressourcenmäßig endlich so gut ausgestattet werden, dass sie bestehende Instrumente (Stichwort Observation der Gefährder) anwenden können. 
 
- Keine bloßen Sicherheitsplacebos, wie der elektronischen Fußfessel und dem  Präventivgewahrsam, ohne absolute zeitliche Obergrenze. 
- Die Freiheitsrechte aller Bürger*innen dürfen durch den massiven Ausbau polizeilicher Befugnisse nicht ausgehöhlt werden  

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